Obere Bernstrasse

Bier, Bart und gute Vibes

Andi Sigrist hat in der abl-Siedlung an der Bernstrasse einen Ort gefunden, an dem sein Herzensprojekt wachsen kann: die Red Beard Brewery. Was während der Pandemie begann, ist heute ein sichtbares Stück Luzerner Braukultur.

In der Red Beard Brewery werden nicht nur gutes Bier, sondern auch gute Vibes serviert.

Einige der besten Geschichten beginnen mit dem Satz «Halt mal kurz mein Bier». Zugegeben: Auch einige der dümmsten. Aber darum geht es hier nicht. Es geht ums Bier. Genauer gesagt um jenes des Luzerners Andi Sigrist, das derzeit immer öfters über Luzerns Kneipentresen gereicht wird. In der abl-Siedlung obere Bernstrasse hat er nun ein Zuhause für sich und sein kleines Craftbeer-Unternehmen gefunden.

Red Beard Brewery heisst das Label, unter dem Andi Sigrist seit rund vier Jahren die Tradition des Bierbrauens pflegt. Woher der Name stammt, wird jedem sofort klar, der den Bierenthusiasten zum ersten Mal begegnet – und dessen unverkennbaren roten Vollbart erblickt. Wie aber kam er überhaupt dazu, sich in die jahrtausendealte Alchemie aus Hopfen und Malz zu stürzen?

Vom Kunde zum Produzenten
«Es war im Sommer 2021. Wir steckten immer noch in der Covid-Zeit – und bei mir machte sich eine gewisse Langeweile breit», sagt Andi Sigrist rückblickend. Den entscheidenden Schubser verpasste ihm ein befreundeter Kleinbrauer, bei dem er Kunde war. «Jedes Mal, wenn ich bei ihm vorbeischaute, meinte er: ‹Du solltest auch dein eigenes Bier brauen.›»

Was folgte, war ein klassisches «Rabbit Hole»: Je mehr Andi Sigrist über das Bierbrauen lernte, desto tiefer tauchte er in das Thema ein – mit stundenlangen Recherchen, Fachliteratur, Gerätekäufen und ersten Brauversuchen im heimischen Garten und Keller. «Was dabei herauskam, schmeckte zum Glück nicht nur mir, sondern auch Nachbarn und Freunden.» Das positive Feedback bewog ihn dazu, die Sache gezielter anzugehen. Die nötigen Prüfungen durch den Kantonschemiker und auch der Behördengang waren noch vor Jahresende erledigt.

Weniger Druck, mehr Geschmack
«Ich wollte einfach etwas erschaffen, das mir selbst Freude macht. Wenn man dann noch positives Feedback erhält, ist das natürlich eine riesige Motivation, weiterzumachen und Neues zu wagen», sagt Andi Sigrist. Erschaffen hat er ein ansehnliches Repertoire an Kreationen: Sechs verschiedene Sorten umfasst sein Sortiment aktuell – wobei in klassischer Craftbeer-Manier selten alle gleichzeitig verfügbar sind. Dafür tragen sie Namen, die mindestens so bunt sind wie die Wände des neuen Red-Beard-Brewery-Shops. Da wäre etwa das mit Jasmintee versetzte «Bombastic Jasmin», das mit buntem Pfeffer geschärfte «Colored Pepper Pale Ale» – oder auch die Sorte «Banana Rama», ein Weizenbier mit ausgeprägter Bananennote.

Der Publikumsliebling? Ganz klar das von Citrus-Noten geprägte «Bubble Buzz», berichtet der Bierbrauer. Das Geheimnis hinter dem Erfolg von «Bubble Buzz»? «Good vibes only», lautet die prompte Antwort des Brauers. In jede Flasche mit dem rotbärtigen Etikett fliesst ganz viel von Andi Sigrists Leidenschaft und Positivität.

Hobby plus, plus, plus
Wer eine von Andi Sigrists Kreationen verköstigen will, kann sich über seine Website direkt bei ihm melden oder in ausgewählten Luzerner Lokalen danach fragen. Das Raedwulf Pub an der Burgerstrasse war das erste, das die Red Beard Brewery – oder kurz: R.B.B. – auf die Karte nahm. Inzwischen sind bekannte Lokale wie die Jazzkantine oder das Krienbrüggli dazugekommen. «Das Geschäft wächst aktuell sehr organisch. Und das macht natürlich grosse Freude.» Dieses Wachstum zeigt sich auch in der Produktionsmenge: Waren es 2023 noch 8 Hektoliter, rechnet er für dieses Jahr mit rund 25.

Bei allem Enthusiasmus bleibt Andi Sigrist realistisch: «Bierbrauen ist ein Rappengeschäft – davon zu leben ist enorm schwer. Für eine meiner 3.3-Deziliter-Flaschen müsste ich rund 15 Franken verlangen, wenn ich den Aufwand wirklich entschädigen wollte.» Es bleibt also ein Hobby. «Ein Hobby plus, plus, plus», wie er augenzwinkernd klarstellt. Immerhin: Seit Kurzem arbeitet er nur noch zu 80 Prozent in der Telekommunikationsbranche – und zu 20 Prozent ganz offiziell für die Red Beard Brewery.

Dort leben, wo die Passion ist
Der nächste logische Schritt in der Entwicklung des Projekts ist der eigene Shop an der Bernstrasse 62. «Ich habe dieses Studio ausgeschrieben gesehen, als das Gebäude noch im Bau war», erzählt Andi Sigrist. «Die Idee, Wohnen und Arbeiten zu verbinden, wurde darin angepriesen – und das hat mich sofort angesprochen.» Ursprünglich stand sogar im Raum, hier auch gleich zu produzieren. «Das wäre aber rein technisch nicht möglich gewesen.» Gebraut wird deshalb wie bisher in der Brauerei Schluckspecht beim Pilatusplatz. Der Kontakt zur bekannten Kleinbrauerei entstand über den Verein Bier Kultur Luzern, dem über 20 Klein- und Mikrobrauereien der Region angehören.

Im Shop und Studio an der Bernstrasse gibt es rund ums Bier aber noch genug zu tun – das zeigt schon der Stapel Etiketten, der nur darauf wartet, auf braune Flaschen geklebt zu werden. Hier wird degustiert, geplant, etikettiert, Buchhaltung gemacht und die nächste Bieridee ausgebrütet. «Es ist urban, es ist mitten in der Stadt Luzern – das ist mir wichtig», sagt Andi Sigrist. «Was ich an diesem Ort aber wohl am meisten schätze, ist die Möglichkeit, hier leben und gleichzeitig meiner Passion nachgehen zu können.»