Obere Bernstrasse
Lima – L.A. – Luzern und das echte Leben
Junior Banda bringt mit seinem Tattoo-Studio an der Bernstrasse internationales Flair nach Luzern.
Sein Stil ist geprägt von der Chicano-Kultur und zieht Kundinnen und Kunden aus ganz Europa an.

Junior Bandas Weg nach Luzern war alles andere als direkt. Um zu verstehen, wie er an der Bernstrasse sein Tattoo-Studio eröffnete, lohnt sich ein Blick auf den Globus. Seine Reise beginnt in Peru, genauer gesagt in der Hauptstadt Lima, wo er vor 37 Jahren als Carlos Junior Semino Banda zur Welt kommt. Schon früh entdeckt er seine Leidenschaft für das Zeichnen. «Ich hatte immer einen Stift in der Hand und den Kopf in einem Skizzenbuch», sagt er bei unserem Besuch in seinem Studio an der Bernstrasse 72.
Sein Leben verändert sich für immer, als der damals Zwölfjährige mit seinen Eltern nach Japan reist. «Dort habe ich zum ersten Mal grossflächige, traditionelle japanische Tätowierungen gesehen.» Für Banda ein Schock – im positiven Sinn. Sein erster Gedanke: «Wow, das sind nicht nur Tattoos, das ist Kunst!» Zurück in Lima taucht er tief in die Welt des Tätowierens ein – und wagt heimlich erste Versuche mit einer eigenen Tattoo-Maschine. Der Einstieg war alles andere als einfach, wie er rückblickend sagt: «Damals gab es keine Kurse oder Online-Tutorials – ich musste alles von Grund auf selbst lernen.»
Sprung in die internationale Szene
Über die Jahre hinweg verfeinert Banda sein Können, bis er mit 19 den Sprung nach Barcelona wagt. «Barcelona ist ein Ort voller Kunst und Inspiration – und voller Tätowierer. Um dort erfolgreich zu sein, musste ich mich stetig verbessern.» Er arbeitet in verschiedenen Studios, reist als Gasttätowierer durch die Welt und knüpft wertvolle Kontakte in der internationalen Tattoo-Szene, wo sein Talent und Arbeitsethos schnell auffallen.
Während er in Europa seine Technik perfektioniert, bleibt seine stilistische Heimat auf einem anderen Kontinent: Auch wenn ihn die japanische Tattoo-Kunst früh inspirierte, war es die Strassenkultur von Los Angeles, die seinen eigenen Stil prägte. Sein Chicano-Style – manchmal auch Cholo-Style genannt – ist tief in der lateinamerikanischen Street-Art und der Hip-Hop-Kultur von L.A. verwurzelt. «Dieser Stil bedeutet für mich mehr als nur eine Ästhetik. Er steht für das echte Leben, für gute und schwierige Zeiten, für Familie, Liebe und Gemeinschaft.»
Manche Designs mögen auf den ersten Blick aggressiv wirken, doch in Bandas detailreichen Arbeiten schwingen oft auch Humor oder Melancholie mit – und manchmal beides gleichzeitig.

Wohnung gesucht, Studio gefunden
Banda lebt noch in Barcelona, als er vor einigen Jahren eine Gastresidenz bei befreundeten Tattoo-Künstlern in der Schweiz annimmt. Dort erkennt er, dass sich für ihn ein neuer Lebensweg auftut. «Die Jahre als reisender Gasttätowierer waren zwar bereichernd, aber auch anstrengend – besonders, weil ich in dieser Zeit zweifacher Familienvater geworden bin», sagt er und blickt auf seinen zehnjährigen Sohn, der an diesem Morgen auf dem Sofa sitzt – mit einem Stift in der Hand und versunken in ein eigenes Skizzenbuch.
2023 lässt sich die kleine Familie in Luzern nieder. Der Traum vom eigenen Studio war zwar schon da, doch seine Verwirklichung kam überraschend schnell, wie Banda erzählt. «Eigentlich suchte ich nur eine Wohnung. Dann erwähnte eine Mitarbeiterin der abl, dass in der neuen Überbauung an der Bernstrasse auch Gewerberäume entstehen.» Für Banda war sofort klar: «Das ist meine Chance.» Heute lebt er im selben Gebäude, in dem er im Herbst 2024 sein Studio eröffnet hatte. «Es ist nur wenige Minuten von der Stadt entfernt und dennoch ruhig gelegen – ein perfekter Ort.»
Ziel: Kreative Weiterentwicklung
Heute zieht Banda mit seinem einzigartigen Stil Kundinnen und Kunden aus ganz Europa an. «Zunächst kamen sie hauptsächlich aus Italien, Grossbritannien oder den Niederlanden. Jetzt gewinne ich immer mehr Kundschaft aus der Schweiz und sogar direkt aus Luzern – darunter schon ein Nachbar.»
Doch Luzern ist für Banda mehr als nur sein Arbeitsort. Hier will er sich auch künstlerisch entwickeln. Schon jetzt geht seine Kreativität über das Tätowieren hinaus: Neben Designs für amerikanische Streetwear-Marken hat er erste Schmuckstücke entworfen, arbeitet an einem zweiten Buch über seine Werke – und sogar eine eigene Figur im Stil der beliebten Funko-Pop-Sammelobjekte existiert bereits als Prototyp. «Ich möchte meine Kunst in so vielen Formen wie möglich ausdrücken.»
Mögliche Verbindung zur Heimat
Das Tätowieren bleibt jedoch im Zentrum von Bandas Schaffen. «Vielleicht eröffne ich ein zweites Studio in einer anderen Stadt oder sogar in einem anderen Land», sagt er in der für ihn typischen relaxten und doch seriösen Art. Als Standort für ein künftiges zweites Studio ist auch eine Rückkehr nach Lima nicht ausgeschlossen. Trotz aller internationalen Verbindungen fühlt sich Banda in Luzern wohl. «Ich bringe hier einen Hauch von internationaler Tattoo-Kultur hin – und gleichzeitig bietet mir die Stadt eine ruhige, inspirierende Umgebung. Bandas Bilder erzählen immer auch eine Geschichte – in Luzern schreibt er gerade das nächste Kapitel seiner eigenen Geschichte.
