Kooperation Industriestrasse

Die neun Qualitäten der neuen Lebensräume

Die Kooperation Industriestrasse liess während der Dialogphase Interessierte bei der Entwicklung der neuen Siedlung mitdiskutieren. Diesen Prozess liess sie für ein Jahr von einem Forschungsteam wissenschaftlich begleiten. Jetzt liegt der Schlussbericht mit Erkenntnissen vor. 

In ein paar Jahren werden Menschen mit ganz unterschiedlichen Wohn- und Lebensvorstellungen das Areal Industriestrasse beleben. Dieser Vielfalt wollte die Kooperation Industriestrasse Luzern mit der Dialogphase eine Plattform bieten. Deshalb konnten sich Interessierte einbringen, als es darum ging, für die beteiligten Architekturteams ein Regelwerk zu erstellen. Die Interessierten konnten an der Vision des neuen Arbeits-, Lebens- und Kulturraums Industriestrasse mitschmieden. 

Ein Jahr lang (2018/19) begleitete ein Team der Hochschule Luzern (HSLU) Technik & Architektur sowie Soziale Arbeit den Mitwirkungsprozess mit dem Namen Dialogphase. Laufend werteten die Forscherinnen und Forscher gemeinsam mit dem Team der Geschäftsstelle der Kooperation Industriestrasse die Veranstaltungen aus. Ziel war es, die Prozesse der Organisation und Projektentwicklung der Kooperation kritisch zu hinterfragen. Als Resultat formulierte das Forschungsteam in einem Schlussbericht neun sogenannte Qualitäten. Damit sind Eigenschaften gemeint, die das Vorgehen der Kooperation Industriestrasse besonders auszeichnen. Der Bericht hält auch Erkenntnisse für die weitere Entwicklung des Projekts fest.

Das Prinzip der Forschungsarbeit war einfach: Die Kooperation führte Anlässe durch, das Team der HSLU beobachtete. Nach jedem Anlass kamen das Team der HSLU und die Mitglieder der Geschäftsstelle der Kooperation Industriestrasse zur Reflexion zusammen. Gemeinsam wurde nachgedacht: Wie haben sich die Teilnehmer und Teilnehmerinnen verhalten? Wie war der Ablauf? Wurden die Inhalte sinnvoll vermittelt? Wer verkörperte welche Rolle? Und wie wurde diese wahrgenommen? Aufgrund der gesammelten Antworten konnte die Kooperation das Vorgehen bei den Workshops laufend verbessern und entwickeln. Was macht die Arealentwicklung der Industriestrasse aus? Im Rahmen der begleitenden Evaluation wurde mit Vertreterinnen und Vertretern der beteiligten Baugenossenschaften an drei Workshops die Vision und das Leitbild der Kooperation konkretisiert. Die neun Punkte, die in der Prozessplanung und in der Umsetzung des Projekts besonders hervorgehoben wurden, sind in den Grafiken dargestellt. 

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Kommentar

Mehr als bloss Nabelschau

Was nimmt die Geschäftsstelle der Kooperation nebst den Erkenntnissen zu den Qualitäten mit und wie geht es weiter? Ein Kommentar von Projektleiter Cla Büchi und Geschäftsleiterin Edina Kurjakovic

Die Begleitung des Prozesses durch die HSLU hat neben den Forschungsergebnissen weitere Spuren hinterlassen. An den wiederkehrenden Treffen zwischen dem Team der HSLU und der Geschäftsstelle setzten wir uns laufend mit den Stärken und Schwächen des Projekts auseinander. Das führte zu wertvollen Reibungen unter allen Beteiligten, auch unter dem Team der Kooperation. 

Hilfreiche Aussensicht 
Die Reflexion nach den Anlässen bot die Möglichkeit, über eine Aussenperspektive uns selbst bei der Arbeit zuzusehen. In der eigenen Bewertung schwingt immer Voreingenommenheit mit – bewusst oder unbewusst. Die Beobachtungen der HSLU erweiterten diese Auswertung über die eigene Wahrnehmung hinaus. Gewisse Rückmeldungen konnten wir sofort unterschreiben, andere erforderten eine differenzierte Auseinandersetzung. Genau diese Momente waren es, die aufforderten, näher hinzuschauen, bevor wir Anpassungen vornahmen. 
Unser inneres Ziel jeweils war es, bei der nächsten Beobachtung weniger Optimierungsfelder vorzufinden. Nebst den Schlussfolgerungen der HSLU waren für die Geschäftsstelle die Reflexionsgespräche deshalb das fruchtbarste Element der Forschung. Entlang dieser Diskussionen wurde immer deutlicher, welchen Herausforderungen die Kooperation als Organisation gegenübersteht. 

Forschungsarbeiten – für wen?
Als die Idee der begleitenden Evaluation aufkam, waren die beteiligten Baugenossenschaften nicht sofort Feuer und Flamme. Es brauchte einige Diskussionen, Argumente und schliesslich auch finanzielle Unterstützung durch die Stadt Luzern und das Bundesamt für Wohnungswesen (BWO), bis die fünf Baugenossenschaften ihren Segen für die Forschung gaben. Wichtig war, dass die Forschung praxisnahe und anwendbare Antworten für die Kooperation und andere Entwicklungsträger brachte. 
Für uns als Kooperation liegt der Gewinn der Forschungsarbeit darin, dass sie auf andere Entwicklungsprojekte übertragen werden kann: Auch wenn jedes Projekt seine spezifische Geschichte und Rahmenbedingungen hat, muss es Ziel sein, aus der begleitenden Evaluation Erkenntnisse, Lösungsansätze oder auch Stolpersteine zu erkennen, die für andere Projekte Hilfestellung bieten können. Falsch wäre, wenn die ganze Arbeit bloss zur Nabelschau verkäme. 

Hinterfragen und Mut haben
Wir haben gelernt, dass wir viele Menschen begeistern können und wir uns nicht scheuen, einen kritischen Diskurs zu führen. Wir haben gelernt, dass unsere Organisation komplex ist und wir offen sind, unkonventionelle Wege zu beschreiten. Es wurde aber auch klar, dass die Vision Industriestrasse viele Ansprüche erfüllen möchte. Damit sind Zielkonflikte verbunden. Das entmutigt die Geschäftsstelle aber nicht. Ja, es wäre einfacher, könnten wir mit dem Zauberstab schwingen und alle Wünsche erfüllen. Aber es wäre auch unkreativ, vielleicht sogar langweilig. 
Es braucht Reibung, es braucht den Diskurs und es
braucht Mut, um eine Vision Industriestrasse zu formulieren, daran festzuhalten und sie in die Realität zu überführen. Und diesen Mut hat die Kooperation. 

Cla Büchi, Edina Krujakovic