Himmelrich 3

Ein Stück Velokultur in der Luzerner Neustadt

Stefan Lang und Tatjana Ricciardi wollen das Velo zum Statussymbol machen, ganz nach dem Motto: Keine Harley gleicht der anderen.

Eigentlich eröffnen Tatjana Ricciardi und Stefan Lang im Himmelrich 3 ein Velo­geschäft samt Bistro. Doch in Wirklichkeit wird es noch viel mehr.

Nach dem Eintreten fällt der Blick zuerst auf die ­Tinguely-artige Installation an der Wand, aus der ein überdimensionierter Totenkopf heraussticht. An den Wänden und von der Decke hängen Velos – darunter etliche ausgefallene Exemplare, wie man sie noch nicht gesehen hat. In einer Ecke werkelt ein Vater mit seiner Tochter an ihrem neuen Bike. Die Treppe führt hoch zur Bar, wo ein paar Stammgäste fachsimpeln und über die Jam Session des gestrigen Abends plaudern.

Nein, das «Ride Cycles» gibts noch nicht. Wie alle Lokale im Himmelrich 3 in der Luzerner Neustadt ist es gerade im Bau. Aber die Vorstellungen, wie der ­Laden bis in ein paar Monaten aussehen wird, sind schon ziemlich klar, zumindest in den Köpfen von Stefan Lang und Tatjana Ricciardi, die in den letzten Jahren viel Denkarbeit geleistet haben.

Stellt er sich seine Zielgruppe vor, denkt Lang an Velo­fans, wie man sie bis jetzt vor allem aus der Töffbranche kennt: «Keine Harley gleicht der anderen, weil alle ihr ganz persönliches Motorrad basteln. Das schwebt mir hier auch vor.» Das Konzept ist in der ­Praxis bisher wenig erprobt, was er als Chance sieht: «Ich will nicht das bieten, was alle wollen. Sondern dass alle wollen, was ich biete», sagt Lang und schmunzelt. Dass ihn deshalb die einen für ­einen Freak halten und die anderen in den Himmel loben, hält er aus. «Mir ist diese Spaltung lieber, als etwas zu machen, was es schon hundertmal gibt.» ­Gewöhnliche Sachen können andere besser.

Velos für Persönlichkeiten
Doch was planen sie nun genau, der ehemalige Bauführer und die selbstständige medizinische Masseurin? Dafür müssen wir etwas ausholen. «Die Stadt Luzern gibt in den nächsten Jahren rund 20 Millionen Franken für Velowege aus», sagt Lang. Die Strategie der Stadt sei klar: Der umweltfreundliche Langsamverkehr soll attraktiver werden, während Autos fortlaufend verschwinden. «Der Stellenwert des Velos wird sich also grundlegend verändern.» Seine Partnerin ergänzt: «Wenn das Velo zum Transportmittel Nummer eins aufsteigt, wollen wir damit auch unserer Persönlichkeit Ausdruck verleihen – genau wie das heute bei Autos oder Motorrädern üblich ist. Das Velo wird zum Statussymbol.»

«Ride Cycles» will deshalb alles individualisieren, was irgendwie individualisierbar ist. Und noch einen Schritt weitergehen: Mit ausgesuchten Bausteinen werden sich die Zweiräder auch komplett einzigartig zusammenstellen lassen. Lang ist überzeugt, dass die Velos, die wir in Zukunft als Haupttransportmittel brauchen, noch gar nicht konzipiert sind. «Es wird neue Bedürfnisse geben, denen man in Velostädten gerecht werden muss.» Diesen Weg möchte er mitgestalten.

Die Vision ist, dass im «Ride Cycles» ein Stück Velo­kultur entsteht, wo Menschen ihre fahrbaren Gestelle nach ihrem Gusto hegen und pflegen, sich austauschen und eine Gemeinschaft werden. Nach dem Prinzip «Mechs dir selber» soll es dafür nicht einmal zwingend einen Profi brauchen.

Mit Gleichgesinnten volle Kraft voraus
Vieles kann, nichts muss. Ungefähr so könnte man die Geschäftsidee zusammenfassen. Denn bewusst und mit dem Rat erfahrener Selbstständiger haben die Gründer ihr Konzept so gehalten, dass sie es den Bedürfnissen der Kundschaft anpassen können. Mit ein bisschen Möbel­rücken darf auch mal die Gastronomie, die länger offen haben wird als der Veloladen, etwas Extraraum einnehmen. Umgekehrt lassen sich neben Tischen und Stühlen durchaus Fahrräder ausstellen. Im Moment ist der Gedanke indessen, dass der untere Teil vor allem Velo, der obere Teil hauptsächlich Bistro ist.

Lang und Ricciardi haben dafür schon viel Zeit und Herzblut in ihr gemeinsames Projekt gesteckt. Er kümmert sich seit drei Jahren praktisch Vollzeit um den Traum der eigenen Firma. Zusammen sind sie in ­Velocitys wie Kopenhagen gereist, haben sich ähnliche Konzepte angeschaut und daraus gelernt. Zu Hause haben sie recherchiert, Konzepte verfasst, geplant und diskutiert. Vor allem aber hat das Unternehmerduo zahlreiche Gleichgesinnte als Partner ins Boot geholt, darunter Daniel Kühne, der bis im Frühjahr das Schlossbistro Meggenhorn betrieb und sich mit seinem Unternehmen «Trinkkultur» einen Namen gemacht hat. Er übernimmt mit seinem Geschäftspartner den Gastro­teil. Aber auch bei der Architektur, der Grafik und der Kunst liessen sie nichts anbrennen. In jedem Bereich sind Profis im Einsatz.

Man merkt: Die Ideen, die in Langs und Ricciardis Köpfen herumspuken, sind zahlreich. Sie betonen aber eines immer wieder: «Wir sind offen und flexibel, werden uns jedoch radikal aufs Wesentliche konzentrieren. Denn was wir machen, machen wir richtig.»