Himmelrich 3

Individuell, nachhaltig und urban: Üsé lädt zum Stöbern ein

Paola Di Valentino (l.) und Michelle Grob wollen mit ihrem Secondhand-Laden Gutes tun und die Kundschaft einen Gang runterschalten lassen.

Üsé im Himmelrich 3 will ab August die nachhaltigen Einkaufsmöglichkeiten in der Neustadt weiter beleben. Der Ansatz macht Lust auf Shoppen – mit gutem Gewissen.

Lucky Look, Claid oder doch lieber SecondSecond? Michelle Grob und Paola Di Valentino machen keinen Hehl daraus: Die Namensliste für ihren kuratierten ­Secondhandshop im Himmelrich 3 war meterlang. Nun heisst der Laden Üsé. Ein kleiner Stolperer mit dem Umlaut und dem Accent Aigu, aber dafür auch alles andere als gewöhnlich. Ganz gewollt so also. Und: In Üsé kann man so manches interpretieren wie «used», Englisch für gebraucht, oder «unser» auf Schweizerdeutsch. Oder natürlich den Spitznamen eines Urs’, der bei weiterem Nachfragen als Quelle für die neue Marke offenbart wird. Diese Mehrdeutigkeit ohne fixe Zuschreibungen gefällt den Gründerinnen. Sie ist in vielerlei Hinsicht typisch für das Unternehmen.

Gegenstück zur Moderne
Üsé passt als Name für die Kleider aus zweiter Hand wie angegossen. Denn auch das Geschäftsmodell bricht mit Gewohntem, kommt als kleines Gegenstück zu unserer Welt daher. Wer Üsé betritt, erhält automatisch auch eine Einladung, einen Gang runterzuschalten, sich aufs Hier und Jetzt einzulassen, bewusst nach Perlen aus Stoff zu tauchen, ins Gespräch mit anderen zu kommen. Statt Onlineshopping und Fast Fashion zelebriert man hier den Wert von Kleidung, wodurch Wertschätzung für das Getragene entsteht.
Aber auch das Belebende spontaner Begegnungen ist ein bedeutender Teil von Üsé, der gleichermassen Raum zum Verweilen schaffen und zur Inspirationsquelle für Gleichgesinnte avancieren soll. Als Plattform für lokale Kunst und die eigenen Designlabels soll es zudem im Üsé für vieles Platz haben. Paola Di Valentino sagt: «Wir verkaufen keine Produkte, sondern eine Dienstleistung.» Das Lebensgefühl in der Himmelrich-Siedlung kauft die Kundschaft mit, genauso wie die Gewissheit, mit getragener Mode etwas Gutes zu tun. In der Shopping-Tasche findet sich neben einem potenziellen neuen Lieblingsstück eine Prise Aufbruchstimmung und das bisschen Einzigartigkeit, das so eben nur ein Secondhand-Artikel bieten kann. Dass es in der Nähe bereits ein Angebot für Secondhand-Mode gibt, ist für die Unternehmerinnen kein Widerspruch. Im Gegenteil finden sie gerade diese Vielfalt attraktiv.
«Gefunkt» hat es zwischen Paola Di Valentino und ­Michelle Grob schon vor vielen Jahren an der «Kunsti» der HSLU. Seither haben sie sich trotz zahlreicher eigener Projekte nie aus den Augen verloren.

Zwei Macherinnen mit starkem Motor
Künstlerin Michelle genoss während ihrer zeitweisen Tätigkeit im Secondhand-Laden an der Bruchstrasse vor allem die Begegnungen, die ihr im Atelier manchmal fehlten. Paola entwirft unter anderem als freischaffende Textildesignerin Prêt-à-porter-Kleidung und fand Gefallen am Gedanken, mit einem eigenen Laden noch einmal eine neue Tür aufzustossen. Beide bezeichnen sich als Macherinnen. Sie hatten schon immer sehr viel Eigenantrieb und Motivation für Projekte, deren Ausgang sich selten von Anfang an genau abzeichnete.
So steckt denn auch im Üsé ganz viel Persönlichkeit, Gestaltungswille und Mut. Satte, kräftige Farben an den Wänden wechseln sich mit Sichtbeton ab. Der abgeschliffene Boden ist ansonsten möglichst naturbelassen. «Mir war es wichtig, dass die Wände und der Boden atmen können», sagt Michelle Grob, «deshalb haben wir mit mineralischen Materialien gearbeitet und der Natur möglichst ihren Lauf gelassen.» Die Devise war, mit minimalen Eingriffen das Maximum herauszuholen und damit eine Weiterentwicklung jederzeit offenzuhalten.

Auch die Einrichtung ist secondhand
Fast alles an der Einrichtung haben die Luzernerinnen selbst gemacht oder aus zweiter Hand eingekauft. Dank eines nahen Lagers konnten sie die einzelnen Teile sukzessive zusammenstellen. Passend zum Konzept ist also das Geschäft selbst ebenfalls möglichst nachhaltig ausgebaut. Zufällig ist trotzdem praktisch nichts. «Wir sind beide Ästhetinnen», lachen die Gründerinnen. «Die Kundschaft soll sich bei uns unbedingt wohlfühlen.»

Schenken Sie Ihren Kleidern ein zweites Leben
Das Sortiment von Üsé besteht aus erschwinglichen, qualitativ hochwertigen Kleidern, Schuhen und Accessoires. Verkauft wird vor allem Alltagsmode für Frauen und Männer jeglichen Alters. Die Ankäufe finden gleichzeitig während der Öffnungszeiten statt, und es ist keine Anmeldung nötig. Als Grundsatz gilt, pro Besuch höchstens eine volle Tasche mit gewaschener Kleidung zu bringen. Das Verkaufsteam sucht daraus jene Stücke aus, die ins Sortiment passen, und bestimmt sogleich den Verkaufspreis. Ein Drittel dessen geht sofort an die Verkäuferpartei – unabhängig davon, ob der Artikel sich später verkaufen lässt oder nicht.