Genossenschaftskultur

Kraut und Rüben aus dem eigenen Garten

Miteinander giessen und gärtnern (v. l.): Enya Keiser, Barbara Zihlmann mit Paulin, Soraya Keiser, Jorina Zihlmann, Benedikt Hassler und Adrian Keiser kümmern sich mit weiteren vier Parteien um den Gemeinschaftsgarten im Obermaihof 1.

Die Arbeit hat sich gelohnt: Der in diesem Frühling angelegte Nutzgarten im Obermaihof hat der Gartengruppe eine reiche Ernte beschert. Die abl unterstützt im kommenden Jahr solche Gemeinschaftsprojekte auch in anderen Siedlungen.

Anfang Herbst sieht der Nutzgarten im Obermaihof noch erstaunlich grün aus: Randen, Rosenkohl und Karotten sind bald reif für die Ernte, der Nüsslisalat gedeiht an der Oberfläche und die Kartoffeln wachsen noch im Boden. In der Kräuterschnecke nebenan hat es rund zwei Dutzend verschiedene Arten von Grün, die jedem Gericht einen eigenen Geschmack geben: Dill, Melisse, Salbei, Majoran, Kerbel und vieles mehr. Die zweijährige Jorina stapft sogleich mit Gummistiefeln und Harke ausgerüstet zum Beet, begutachtet die Blätter und zupft am einen oder anderen Kraut. «Das Gemüse aus dem eigenen Garten schmeckt uns und den Kindern eindeutig am besten», sagt ihr Vater, Benedikt Hassler. Es ist wie mit einer speziellen Reise, auf die man jahrelang hingearbeitet hat und sie dann endlich antreten darf. Man schätzt sie viel mehr, als wenn man heute bucht und morgen losfährt.

Die Launen der Natur erdulden
Für Benedikt Hassler und Barbara Zihlmann mit Jorina und Baby Paulin war der letzte Sommer in vieler Hinsicht bereichernd. «Der Garten hat uns vor Augen geführt, wie viel wir vier überhaupt essen», sagt Barbara Zihlmann, «aber auch, wie viel auf einem kleinen Feld von zwei Quadratmetern tatsächlich wächst!» Sie hatten massenhaft Zucchetti, dazu scharfe Radieschen, frischen Rucola, Krautstiel, Fenchel und ein kleines bisschen vertrockneten Brokkoli. Auch das gehört zum eigenen Garten: Sich den Launen der Natur unterwerfen; von ihr lernen; kochen, was sie hergibt. «Beeindruckt hat uns der Hagel und wie das kleine Bächlein einmal übergelaufen ist», erzählen die beiden. Plötzlich hätten sie ganz direkt erlebt, wie verletzlich die Landwirtschaft ist, und wie schnell die eigene Arbeit einfach über Nacht zunichte gemacht werden kann. Die Wertschätzung für Lebensmittel und das Verständnis für all jene, die unsere Versorgung sicherstellen, sei bei ihnen sicher noch einmal gewachsen in diesem Sommer.

Sechs Parteien im Garten
Die Familie Zihlmann-Hassler ist vor rund einem Jahr in die Siedlung gezogen. Als die Anregung von der abl kam, man könne am Rande des Grundstücks einen Nutzgarten anlegen, stiess das bei der Familie sofort auf offene Ohren. Barbara und Benedikt sind mit Gärten aufgewachsen und wollten die Gelegenheit nutzen, die verblichenen Kindheitserinnerungen aufzufrischen. Spontan haben sie entschieden, sich mit Gleichgesinnten zusammenzuschliessen. Das Ergebnis ist eine Gruppe aus sechs Parteien, die Beete innerhalb des gleichen Gartens bewirtschaften. Platz hätte es insgesamt für acht.
Nach dem Initialaufwand brauchte es keinen permanenten Austausch mehr. Gerade an heissen Sommerabenden traf man sich aber oft zufällig unten im Garten. So zusammen zu giessen und gärtnern, machte Freude. Und auch eine Ferienablösung haben Benedikt, Barbara und die Kids bereits hinter sich. Der Vater schmunzelt in Erinnerung an die knackigen Gurken: «Da es während der Sommerferien war, durften wir vor allem ernten.»

Nur ein Ausschnitt der fetten Beute aus dem Gemeinschaftsgarten: Krautstiel, Peperoni und Kapuzinerkresse.

Begegnungen fördern
Wie im Obermaihof finanziert die abl auch in anderen Siedlungen das Anlegen von Gemeinschaftsgärten: «Wenn sich mindestens fünf Mietparteien für einen Garten interessieren und sich zu einer Gartengruppe zusammenschliessen, versuchen wir die Realisierung zu ermöglichen», sagt Regula Aepli von der Fachstelle Genossenschaftskultur und Soziales. Die abl will damit Austausch und Aktivitäten innerhalb der Siedlungen fördern. Gärten sind Orte, an denen man sich zufällig trifft, neue Kontakte knüpft oder einfach ein bisschen plaudert. Gleichzeitig fördern Nutzgärten eine gesunde und saisonale Ernährung im Einklang mit der Natur.
Die Vorgaben der abl sind überschaubar: Dazu zählt, dass Pestizide und chemische Dünger verboten sind. Ein Kompost ist explizit erwünscht, ausserdem müssen neue Interessierte bei vorhandenem Platz aufgenommen werden. Richtwert ist dabei ein Gartenanteil von zwei Quadratmetern pro Mietpartei. Die Gruppen sollen sich grundsätzlich selbst organisieren. «Bei Schwierigkeiten sind wir aber natürlich da», signalisiert Regula Aepli.

Vom Hochbeet zum Erdbeet
Nachdem in den letzten Jahren an verschiedenen Orten einzelne Hochbeete platziert wurden, leitet die abl nun den Gegentrend hin zu gemeinschaftlichen Gärten ein. Anfang dieses Jahres haben die Verantwortlichen deshalb ein Konzept erarbeitet, das die Richtung dafür vorgibt. Für 2022 hat die abl bereits ein Budget, um für weitere Gemeinschaftsgärten Hand bieten zu können. «Bei Interesse sollten sich die Beteiligten möglichst noch in diesem Jahr bei uns melden», sagt RegulaAepli. So haben alle genügend Vorlaufzeit für die Planung und die abl kann sich auch dem Interesse entsprechend organisieren. Nach der winterlichen Planungsphase geht es erfahrungsgemäss Schlag auf Schlag: Im Frühjahr legt eine Gartenbaufirma die Beete an – kurze Zeit später kommen bereits die ersten Samen oder Setzlinge in den Boden.

Vier Schritte zum eigenen Gemeinschaftsgarten
Sie träumen schon lange von einem Garten und möchten in Ihrer Siedlung ein Projekt ins Leben rufen? Dann gehen Sie am besten wie folgt vor:

1. Sprechen Sie in der Nachbarschaft über Ihre Idee und klären Sie, ob sich mindestens vier weitere interessierte Mietparteien finden lassen. Legen Sie fest, wer die Ansprechperson gegenüber der abl und für weitere Interessente ist und wie sich die Gruppeinnerhalb organisiert.
2. Nehmen Sie mit der Fachstelle Genossenschafts-kultur und Soziales Kontakt auf und besprechen Sie Ihr Anliegen.
3. Die abl prüft anschliessend, ob und wo sich ein Garten innerhalb des Siedlungsgebiets realisieren lässt. Wenn der Ort feststeht, organisiert sie das Anlegen des Gartens und soweit möglich auch eine Grundausstattung, wie etwa einen Wasseranschluss in der Nähe, Gerätekiste, Kompostgitter, Wassertonneoder Sitzbank. Weiter stellt sie für gemeinsame Gartengeräte einen finanziellen Beitrag zur Verfügung. 
4. Sind Schaufel und Harke bereit? Dann kann das Gärtnern losgehen!

Kontakt für Interessierte
Hat Sie die Gartenlust gepackt? Melden Sie sich bei Regula Aepli oder Katrin Burri von der Fachstelle Genossenschaftskultur und Soziales am besten noch in diesem Jahr, wenn Sie kommenden Sommer aus dem eigenen Garten ernten möchten: E-Mail oder Telefon 041 227 29 36.