Genossenschaftskultur
Getrennt wohnen, gemeinsam Eltern sein
Die NZZ-Journalistin Antonia Moser lebt mit ihren Kindern im Weinbergli – nur einen Balkongruss entfernt von ihrem Ex-Mann. Eine besondere Familiengeschichte, die zeigt, wie Nähe und Eigenständigkeit zusammenpassen.

Bei Antonia Moser dreht sich vieles um einen Tisch neben der offenen Küche. Hier isst sie mit ihren Kindern, empfängt Gäste und arbeitet an ihrem wöchentlichen Homeoffice-Tag an Podcasts zu gesellschaftlichen, politischen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Themen.
Zwei Zuhause, eine Familie
Ihre Kinder, die neunjährige Tala und der siebenjährige Zian, haben zwei Zuhause, die nur einen Steinwurf voneinander entfernt sind. Ungefähr fifty-fifty leben sie im Nachbarhaus bei ihrem Vater und am Gebeneggweg bei Antonia. Vom Balkon aus kann sie ihren Kindern winken, wenn sie bei ihrem Vater sind. «Als Familie lebten wir zusammen in der Wohnung, wo mein Ex-Mann heute noch lebt. Vor etwa vier Jahren kamen wir dann zur Erkenntnis, dass es besser ist, auseinanderzuziehen.» Dabei war es den Eltern ein grosses Bedürfnis, weiterhin möglichst nahe beieinander zu wohnen, damit sie ihre Kinder gemeinsam grossziehen können.
Wohnungsglück und Erleuchtung
Dass Antonia die abl-Wohnung unmittelbar nebenan bekommen hat, war deshalb für alle ein Glücksfall. Heute sind Antonia und ihr Ex-Mann offiziell getrennt. «Streit über das Haushalten in der gemeinsamen Wohnung gehört der Vergangenheit an, ebenso auch gegenseitige Ansprüche, dass wir zusammen eine romantische Beziehung leben.» Umso mehr fühlen sie sich als Eltern ihrer Kinder freundschaftlich miteinander verbunden. Für Antonia war es wie eine Erleuchtung, dass es auch anders und erst noch besser funktionieren kann: «Eltern sein, das können wir gut zusammen. Und das, was wir gemeinsam leben wollen, machen wir auch so; mindestens einmal pro Woche essen wir zusammen, die Sommerferien verbringen wir gemeinsam, Weihnachten feiern wir als Familie ... Und wenn ich spontan Lust habe, meine Kinder zu sehen, ist es sehr schön, schnell runterzugehen, auch wenn es nur für fünf Minuten ist. Gleichzeitig habe ich für mich eine grössere Autonomie.»
«Es ist easy gut und nett»
Die Nähe zu ihren Kindern ist für Antonia auch das wichtigste Kriterium, dass sie sich in ihrer Wohnung so wohlfühlt. Erst als Zweites erwähnt sie, dass sie die Wohnung schön und gemütlich findet, die beiden Balkone schätzt und auch froh ist, dass der Mietzins günstig ist. Wenn Antonia Zeit für sich hat, liest sie gerne; Zeitungen, Magazine, Romane, feministische Literatur ... Und sie trainiert drei- bis viermal die Woche bereits morgens um sechs Uhr mit langen und kurzen Hanteln ihre Kraft und Ausdauer. Das Leben im Haus empfindet Antonia als unkompliziert: «Es ist easy gut und es ist nett. Mit manchen rede ich mehr, mit anderen etwas weniger. Es gibt auch keine Konflikte, obwohl das Haus sehr ringhörig ist und meine Kinder manchmal lärmen, schreien und stampfen. Natürlich ermahne ich sie dann, nicht so laut zu sein.» Antonia weiss aber, dass sich ihre Nachbarin nicht gestört fühlt, und ist sehr froh darüber. Umgekehrt stört auch sie sich nicht an nachbarschaftlichen Geräuschen. Antonia denkt auch, dass sie ohne Weiteres bei ihren Nachbar*innen klingeln könnte, wenn ihr ein Ei oder etwas anderes fehlt. «Das mache ich aber nicht, weil ich ja einfach meinen Ex-Mann fragen kann.»
Freundschaften über alle Lebensphasen
In der Siedlung fühlt sie sich wohl und mag die Durchmischung von Alter und Herkunft. «Ich habe das Gefühl, die Bewohner*innen bilden in etwa die Vielfalt ab, die unsere Gesellschaft ausmacht. Auch das Tribschenquartier bietet meinen Kindern einen guten Mix; sie haben Gspänli aus verschiedenen Kulturen, die in Einfamilienhäusern oder auch in günstigen Mietwohnungen wohnen.» Um nähere Kontakte im Quartier zu pflegen, fehlt Antonia jedoch die Zeit. Wichtiger sind ihr ihre Freundschaften mit Frauen, die sie seit der Schulzeit kennt: «Meine Freundinnen treffen ist eigentlich mein grösstes Hobby. Manche sehe ich leider weniger, als ich gerne möchte. Mit einer Gruppe von Freundinnen jedoch treffe ich mich seit 20 Jahren jeden Montag. Oft sind wir bei mir, essen zusammen oder plaudern auf dem Sofa. Diese Regelmässigkeit ist uns wichtig. Sie hat eine gewisse Verbindlichkeit und wir erfahren laufend alles voneinander, können immer wieder ansetzen, wo wir das letzte Mal aufgehört haben. Diese Freundschaften haben wir über alle Lebensphasen gepflegt und alles zusammen durchgemacht; mit Kindern und ohne Kinder. Eigentlich sind diese Freundinnen meine Lebenspartnerinnen. Ich bin sehr dankbar dafür.»
Mitdenken. Mitreden. Mitgestalten
In den abl-Siedlungen leben Menschen mit ganz unterschiedlichen Hintergründen und Lebensrealitäten. Diese Vielfalt bereichert, kann aber auch herausfordern. Genau darüber wollen wir mit Ihnen sprechen – an der zweiten Ausgabe unseres Genossenschaftsforums am Donnerstag, 20. November 2025.
Diskutieren Sie mit – gemeinsam mit anderen Mitgliedern, der Geschäftsleitung und dem Vorstand. Jetzt anmelden unter abl.ch/forum oder telefonisch unter 041 227 29 29.