Genossenschaftskultur

Leben und leben lassen

Ein offenes Ohr und Toleranz, informelle Treffpunkte im Quartier und Rückzugsmöglichkeiten: das die einfache Bedienungsanleitung der Familie Brunner Leu für ein gutes Zusammenleben.

Lebensfreude und Zufriedenheit strahlt die Familie Brunner Leu im Breitenlachen aus.

Am Tisch im Wohnzimmer der 6.5-Zimmer-Maisonnette-Dachwohnung im Breitenlachen: Martina Leu und Stefan Brunner sitzen mit ihren 13-jährigen Zwillingen Mira und Aron und der 10-jährigen Lucy mit gespanntem Blick da. Interessiert schnuppert der junge Lagotto-Rüde Yuki an den Füssen des Gastes.

«Was ist Vielfalt?», fragt Lucy gleich zu Beginn des Gesprächs. Wir kommen dabei auf die Unterschiede der Menschen im Quartier oder in der Schule zu sprechen, auf Nachbar*innen, die miteinander zusammenleben und sich respektieren. Der Vergleich einer biodiversen Blumenwiese mit unterschiedlichen Menschen im Quartier spricht Lucy an: «Einer in unserem Quartier wechselt immer die Haarfarbe, jetzt sind sie violett. Das gefällt mir sehr», sagt sie und strahlt.

Vielfalt beginnt schon im Kleinen
«Vielfalt zeigt sich schon bei den Lebensweisen. Von aussen betrachtet kann es den Anschein machen, dass wir die traditionelle Schweizer Familie mit Hund sind», sagt Martina Leu. «Mein Mann arbeitet drei Tage zu Hause. Ich arbeite freiberuflich. Wir teilen uns die Betreuung der Kinder auf. Vielleicht nur ein kleiner Unterschied, aber er macht uns aus.» Stefan Brunner fügt an: «In unserem Haus leben ganz unterschiedliche Menschen. Familien, Paare, Alleinstehende. Alle führen ein anderes Leben und haben ganz unterschiedliche Haltungen. Diese Unterschiede merkt man schon im Treppenhaus.» Und Lucy ergänzt: «Ja, wir haben eher mehr Schuhe als andere.»  

Coole Vielfalt im Breitenlachen
Im Breitenlachen leben junge Menschen, Familien und ältere Personen aus verschiedenen Kulturen. «Ich finde diese Vielfalt im Quartier richtig cool», schwärmt Martina Leu. «Dadurch, dass hier viele zahlbare Wohnungen sind, finden auch Menschen ein Zuhause, die finanziell weniger auf Rosen gebettet sind. Ich schätze das sehr.» Um in Kontakt zu den Nachbar*innen in der Siedlung zu kommen, gibt es einige Orte und Gelegenheiten. Zum einen über den Brunnen in der Siedlung, zum anderen über den Pflanzgarten, den Martina Leu pflegt. «Über den Garten kommt man leicht miteinander ins Gespräch.» Und Stefan Brunner ergänzt: «Es muss nicht immer ein Fest sein. Auch kleinere Aktionen wie der Clean-Up-Day helfen, sie wirken verbindend.»

Eine schöne Geschichte erzählt Martina Leu. Sie hatte für ihr Geburtstagsfest einen Apéro bei der Caritas bestellt. Menschen mit Migrationshintergrund kochen Häppchen aus verschiedenen Kulturen und servieren diese vor Ort. «Lustigerweise war eine Frau aus unserer Nachbarschaft dabei. Seither grüssen wir uns oder sie fragt mich, wenn sie Hilfe braucht. Ohne dieses Angebot wären wir wohl nicht in Kontakt gekommen.»  

«Wir haben es schön im Haus»
In ihrem Haus pflegt die Familie Leu Brunner gute Kontakte. Auch ihre Kinder fühlen sich wohl. «Wir haben es schön in unserem Haus. Man weiss, dass man Hilfe bekommt, wenn es nötig ist. Die Kinder wissen, wo sie klingeln können, wenn die Eltern mal noch nicht zuhause sind», sagt Martina Leu.

Ohne dass sie die ganze Zeit miteinander verbringen würden, sei ein Gefühl von Hausgemeinschaft da. «Die Menschen hier grüssen sich und sind wirklich hilfsbereit. Und alle haben ihre eigenen Talente. Ein Nachbar hat uns spontan geholfen, den Skiträger zu montieren, weil uns das nicht so liegt. Einer hilft oft, die schweren Dinge hochzutragen. Im Gegenzug schenken wir Zucchetti aus dem Garten.»

Das Rezept
Warum klappt das Zusammenleben hier so gut? Gibt es ein Rezept? «Im Haus ist es sehr ringhörig, man bekommt vieles mit, es ist ein Gefühl von Nähe da. Vielleicht hilft das, damit wir mehr zueinander schauen?», fragt sich Martina Leu und fügt lachend an: «Es ist auch eine Geheimwaffe für uns Eltern, wenn die Kinder laut sind oder sich streiten. Dann heisst es ‹Psst, die Nachbarn hören uns!› Wichtig sind aus meiner Sicht Rückzugsmöglichkeiten, um auch mal für sich zu sein. Unsere zweistöckige Wohnung ist hier sehr vorteilhaft.»

Stefan Brunner klärt: «Vor ein paar Jahren gab es im Haus durchaus Konflikte, die immer wieder aufflammten. Erstaunlich ist, wie schnell ein neues Miteinander entstehen kann, wenn sich die Zusammensetzung der Mieterschaft im Haus verändert. Heute spüren wir viel Toleranz.» Und das ist das Rezept der Familie Brunner Leu für ein friedliches Mit- und Nebeneinander: tolerant sein, ein offenes Ohr haben, Verständnis für eine Situation signalisieren, aber nicht Partei ergreifen, bei sich bleiben, wenn jemand negative Stimmung gegen andere verbreiten will. «Leben und leben lassen. Das ist unsere Grundhaltung. Wir hoffen, wir können das gut so leben.»