Genossenschaftskultur

«Ein bisschen sind wir auch Kinder geblieben»

Seit gut vier Jahrzehnten wohnt Angela Amrein im Breitenlachen. Vor etwa 20 Jahren zog ihre Lebenspartnerin Jeannette Bünter bei ihr ein. Ständige Mitbewohnerinnen sind auch ihre Katzen. Beide Frauen sagen von sich, dass sie ein normales Leben leben, nicht unter- und nicht übertrieben.

Angela Amrein und Jeannette Bünter in ihrem Wohnzimmer.

Und wie reagierte vor zwanzig Jahren die Nachbarschaft auf das Frauenpaar? «Wir haben etwas Schlaues gemacht, indem wir alle Nachbarn zum Kaffee einluden und unsere Liebesbeziehung offenlegten. So gab es kein ‹Gschnur›.» Beide Frauen sind überzeugt, dass schon damals niemand ein Problem damit hatte. Im Gegenteil, die Basis für gute Nachbarschaftsbeziehungen sei gelegt worden und diese halten bis heute an.

Gerne und viel zu Hause
Angela und Jeannette sind beide pensioniert. Bei schönem Wetter gehen sie gerne wandern oder mit der Pro Senectute «walken». Zwischendurch verbringen sie immer mal wieder ein paar Tage am Lauerzersee in ihrem Camper. Viel und sehr gerne sind sie jedoch zu Hause. «Wir fühlen uns sehr wohl hier. Die Umgebung ist riesig schön, man ist schnell in der Stadt, schnell im Grünen, die Läden sind in der Nähe, die Katzen können raus und es ist ruhig.» In der 4-Zimmer-Wohnung gibt es kaum einen Ort ohne kleinere und grössere Pflanzen. «Ich bin ursprünglich Gärtnerin», erklärt Jeannette. «Heute sind die Pflanzen mein Hobby. Auch meine Gartenbeete in der Siedlung, in denen ich alles selbst ziehe: Gemüse, Beeren, Obst.»

Eine Wohnung voller Überraschungen
Zwischen den üppigen Zimmerpflanzen überraschen in der Wohnung unzählige weitere Entdeckungen. Es sind aussergewöhnliche Trouvaillen, wie zum Beispiel Oldtimer-Modellautos in der Glasvitrine. «Ich hatte einen alten Buick», erklärt Angela und ergänzt verschmitzt: «Jetzt gehen wir sie in Ausstellungen anschauen und träumen davon, wie’s wäre, sie zu fahren.» Neben der Vitrine ertönt zu jeder halben Stunde der Gugger aus dem «Guggerzytli» und schmucke Kuhglocken verleihen dem Wohnzimmer zusätzlich ein ländliches Ambiente. In anderen Zimmern zieren grosse Puzzlebilder die Wände, oft auch flankiert von zahlreichen Drachen-Objekten. Im Gang steht ein stattlicher Katzenbaum und im Arbeitszimmer wohnt der Hamster in seiner feudalen Zweizimmer-Hamster-Villa, die Jeannette und Angela selber gebaut haben. Plüschbären sitzen bequem auf der Sofalehne. Angela sinniert: «Ein bisschen sind wir Kinder geblieben. Ich bin nicht so ernst, es ist genug ernst um mich herum. Das Gesamtbild ist farbig – das ist wichtig für mich.» Und auch Jeannette meint: «Ich könnte nicht in einer gestylten SchwarzWeiss-Wohnung leben. Hier sieht man nicht nur einen Stil. Wir sind zwei eigenständige Personen, und das soll in der Wohnung zum Ausdruck kommen.»

Durchmischung ist wichtig
Und wie stehen Jeannette und Angela zur Vielfalt in der Nachbarschaft? «Hier im Haus leben wir eigentlich alle ähnlich, ‹einfach› – nicht hochgestochen. Mit Ausnahme einer Mietpartei, die zurückgezogen wohnt, haben wir gute Kontakte. Begegnen wir uns im Treppenhaus, wechseln wir ein paar Worte. Wir schauen uns gegenseitig zu den Pflanzen und eine Nachbarin hütet unsere Katzen, wenn wir länger weg sind. Das gegenseitige Vertrauen schätzen wir sehr.» Und Jeannette ergänzt: «Wenn uns Milch fehlt, kann ich bei den Nachbarn klingeln. Oder als bei uns die Silikonfugen im Bad erneuert wurden, konnte ich sogar bei der Nachbarin duschen.» Dass kaum mehr Kinder in ihrer Umgebung wohnen, empfinden beide Frauen jedoch als mangelnde Vielfalt: «Die Siedlung überaltert immer mehr. Deshalb ist es wichtig, dass wieder Familien mit Kindern einziehen und die Siedlung beleben. Und die abl sollte auch mehr darauf achten, dass Menschen aus anderen Kulturen in der Siedlung besser verteilt leben. Die Integration gelingt besser, wenn es in einem Haus durchmischt ist. Und wir wünschen uns auch, dass Menschen anderer Kulturen unsere Sprache lernen und sich stärker für uns und unsere Lebensweisen interessieren.»

Direkt ansprechen, was stört
Gibt es denn Grundsätze, die für Angela und Jeannette im Zusammenleben gelten? «Wir sind nicht aufdringlich. Gegenseitiger Respekt ist uns wichtig; leben und leben lassen. Wir wollen, dass rundherum gelebt wird. Würden wir das nicht wollen, wären wir am falschen Ort, denn hier hörst du, wenn oben der Floh hustet.» Jeannette erinnert sich, dass vor einigen Jahren ein junger Mann in der Nacht auf dem Balkon mit Freunden Poker spielte. «Das war schon sehr laut. Darum ging ich hinauf und erklärte ihm, dass ich am nächsten Morgen arbeiten muss und nicht schlafen kann. Nach dem zweiten oder dritten Mal hat die Störung dann aufgehört. Solche Dinge muss man nicht über die abl lösen, das ist Kindergarten. Besser man bespricht das direkt und klärt es gleich selber.»