Genossenschaftskultur
Von Kuba zurück in den Studhalden
Michael Hofmann ist in der Siedlung Studhalden aufgewachsen. Nach ein paar Wanderjahren, die vom Spannort bis nach Kuba geführt haben, ist er mit seiner eigenen Familie hierher zurückgekehrt.

Michael Hofmann sitzt mit seinen zwei Söhnen Tiago und Camilo auf dem Sofa. Seine Frau Yisel hat sich eben verabschiedet und ist zur Arbeit gefahren. Die beiden Jungs hören aufmerksam zu, was ihr Vater berichtet. «Der Studhalden hat sich stark verändert. Als ich noch klein war, Anfang 90er-Jahre, hatte es wenig Kinder. Heute wohnen hier viele junge Familien. Die Siedlung lebt wieder, das Zusammenleben ist toll.» Die Familie Hofmann-Goicochea fühlt sich hier sehr wohl: «Wir sind privilegiert, weil wir einen privaten Aussenraum haben. Die Siedlung ist zudem ästhetisch schön mit dem vielen Grün. Wir sind oft zuhause in der Siedlung unterwegs und geniessen die Aussenräume und den Kontakt mit Nachbarn. Das hat enorme Qualität.»
Abkehr von der kontrollierenden Schweiz
Vor rund zehn Jahren ist Michael nach Kuba ausgewandert. Einer der Gründe war, dass die Haltung in der Schweiz, was das Zusammenleben betraf, für ihn nicht stimmte. Ihm war alles zu anonym, Kontakte kamen wenig zustande. Es gab Streit unter Nachbar*innen und man schaute, dass ja nichts falsch gemacht wurde. In einem Aufenthaltsjahr in Kuba lernte er ein Zusammenleben kennen, das ihm sehr gefällt. «Das ganze Quartier war draussen, die Kinder haben gespielt, die Erwachsenen miteinander geredet, man schaute zueinander, war eine Gemeinschaft und kannte sich. Drum entschied ich mich, länger zu bleiben.»
«Kubanische» Nachbarschaft im Studhalden
Zurückgekehrt ist Michael nach fünf Jahren mit eigener Familie – und mit vielen Ideen, wie er in der Schweiz sein Leben künftig führen will. «Ich nahm mir fest vor, dieses Lebensgefühl des Miteinanders in die Schweiz mitzunehmen. Die Schweiz hat sich inzwischen verändert – zumindest in urbanen Gebieten. So nehme ich das hier im Studhalden wahr. Menschen aus verschiedenen Kulturen leben zusammen und sind offen für eine gute Nachbarschaft. Jede Kultur bringt ihre ‹good practice› fürs Zusammenleben ein. Wir Schweizer*innen sind inzwischen viel bereister und dadurch offener und neugieriger geworden. Auch ich will die Vorteile einer ‹kubanischen› Nachbarschaft hier leben», schmunzelt Michael.
Aufeinander zugehen, Hemmschwellen abbauen
Was ist denn das Rezept für ein gutes Zusammenleben? Michael weiss aus Erfahrung, dass es hilft, wenn die Menschen aufeinander zugehen und sich kennenlernen. «Nach einem Schwatz mit Nachbar*innen gehe ich mit gutem Gefühl nach Hause. Das ist Heimat. Und kennen wir uns besser, gehen wir mehr auf Augenhöhe miteinander um. Streit oder Fremdenfeindlichkeit haben so weniger Chancen.» Ob Letzteres denn vorkommt? «Hier in der vielfältigen Studhalden sicher seltener. Dennoch kommt es vor, dass ich Menschen sagen höre, dass es nicht normal ist, wie gewisse Kinder erzogen seien. Das stört mich sehr. Was heisst normal? Ist es jenes Normal von früher, als hauptsächlich Schweizer Familien hier lebten, die sich anscheinend immer ruhig und angepasst verhalten haben? Ich finde, es gibt heute ganz viele verschiedene ‹Normals›, und das ist auch gut so. Es ist eine Chance fürs Zusammenleben.»
Ein Fest für alle Kulturen
Um sich besser kennenzulernen und Hemmschwellen zwischen verschiedenen Menschen und Kulturen abzubauen, ist laut Michael ein Fest ein gutes Mittel. Wichtig sei beim Organisieren, dass der Aufwand überschaubar ist und möglichst viele Menschen miteinbezogen sind. Ein perfekt organisiertes Fest sei nicht nötig, vielmehr die Offenheit für immer wieder neue Ideen. «Alle wissen hier, dass sie mitmachen dürfen. Unser Fest ist deshalb zu einem Fest der Kulturen geworden – eines für viele statt nur für eine einzelne Gruppe. Dass diese Vielfalt möglich ist, liegt auch daran, dass im Organisationskomitee Menschen aus verschiedenen Kulturen mitmachen.» Michael schwärmt zudem von den vorhandenen Ressourcen im Studhalden, die ihr Fest umso vielseitiger machen: Mit einer Kaffeezeremonie aus Eritrea, Chai-Tee aus Pakistan oder Speisen aus aller Welt, begleitet von Schweizer Handörgeli- und Alphornmusik.
Und wer jetzt Lust hat, das Zusammenleben in der eigenen abl-Siedlung zu fördern, Michaels ganz pragmatischer Tipp: «Man muss das Rad nicht neu erfinden. Ich habe auch vieles kopiert, was ich in Kuba gesehen habe. Bei der abl gibt es viele Engagierte, die in anderen Siedlungen tolle Dinge machen. Da kann man gut ein wenig abkupfern.»
Mitdenken. Mitreden. Mitgestalten
In den abl-Siedlungen leben Menschen mit ganz unterschiedlichen Hintergründen und Lebensrealitäten. Diese Vielfalt bereichert, kann aber auch herausfordern. Genau darüber wollen wir mit Ihnen sprechen – an der zweiten Ausgabe unseres Genossenschaftsforums am Donnerstag, 20. November 2025.
Diskutieren Sie mit – gemeinsam mit anderen Mitgliedern, der Geschäftsleitung und dem Vorstand. Jetzt anmelden unter abl.ch/forum oder telefonisch unter 041 227 29 29.