Aus der Nachbarschaft

«Die abl ist eine Vorzeigegenossenschaft»

Der ehemalige Verbandspräsident Louis Schelbert mit seiner Nachfolgerin Eva Herzog. 

Der ehemalige Luzerner Nationalrat Louis Schelbert war bis Ende Juni 2020 Präsident des Verbandes Wohnbaugenossenschaften Schweiz. Er ist voll des Lobes für die abl, die seiner Meinung nach allerdings etwas politischer sein dürfte. 

Louis Schelbert, Sie waren über ein Jahrzehnt der «oberste genossenschaftliche
Wohnungsbauer der Schweiz» – was bleibt vor allem haften?
Viele der rund 1‘200 Genossenschaften unseres Verbandes sind innovativ. Sie schaffen sehr gute Wohnungen von hoher Qualität zu günstigen Preisen und erkannten früh die Bedeutung der Energiefrage. Daher gewinnen immer wieder genossenschaftliche Projekte wertvolle Preise, auch weil sie sich der Lebensqualität in den Siedlungen annehmen und das gute Zusammenleben fördern. 

Was ist das Erfreulichste, das Sie in Ihrer Amtszeit erlebt haben?
Bei meiner Amtsübernahme überwog im Verband die Haltung, das Erreichte gut zu verwalten. Das bleibt wichtig. Heute kommt eine offensivere Mentalität dazu, das quantitative und qualitative Wachstum zu fördern. Dieser Wandel bringt die Genossenschaftsbewegung weiter und nützt der Bevölkerung. 

Und was das Ärgerlichste?
Noch 2018 versuchten neoliberale Kräfte, das Bundesamt für Wohnungswesen abzuschaffen, und fanden Gehör bis in den Bundesrat. Mit viel Einsatz von uns und anderen gelang es, dies zu verhindern. Wohnen ist und bleibt ein Grundbedürfnis, niemand kann nicht wohnen. Dessen muss sich auch die Bundesverwaltung mit hoher Priorität annehmen, zumal dies auch die Bundesverfassung so vorsieht. 

Wie beurteilen Sie die Chancen des genossenschaftlichen Wohnungsbaus in der Schweiz?
Die Kostenmiete ist ein echter Trumpf und günstig ist, dass der Genossenschaftsgedanke bei uns Tradition hat. Insbesondere in den Städten ist die Glaubwürdigkeit «der Gemeinnützigen» hoch. Die Bevölkerung traut ihnen zu, den Mangel an preiswerten Wohnungen zu beheben. So wurden etwa in Zürich, Basel, Bern, Luzern, aber auch in der Romandie entsprechende Volksinitiativen angenommen. Das bestätigte sich im Februar bei der Volksinitiative «Mehr bezahlbare Wohnungen». Gut ist, dass die Genossenschaften dranbleiben. Es geht viel im Moment, es wird einen echten Schub geben. 

Wo orten Sie unausgeschöpftes Potenzial?
Die Agglo-Gemeinden werden immer urbaner, auch bei uns. Daher ist Wachstum in den Agglomerationen eine Chance. Allerdings ist der gemeinnützige Wohnungsbau da vergleichsweise (noch) weniger verbreitet. Der Schritt über die Gemeindegrenze ist angesagt. Auf der Landschaft ist der Druck wegen der aktuell höheren Leerstände geringer. Trotzdem gibt es auch dort immer wieder Chancen, zum Beispiel beim Wohnen im Alter. 

Sie kennen viele Wohnbaugenossenschaften. Wo reihen Sie die abl ein?
Sie gehört gesamtschweizerisch zu den grössten und aktivsten, für mich ist sie eine Vorzeigegenossenschaft. 

Was macht die abl gut?
Sie wirtschaftet solide, schaut gut zu ihrem Bestand und wagt sich an neue Projekte. Sie pflegt den Genossenschaftsgedanken in den Siedlungen, ist innovativ und unterstützt andere Genossenschaften. Sie ist das Rückgrat der Luzerner Wohnbaugenossenschaftsbewegung. 

Wenn Sie Berater der abl wären: Was würden Sie ihr für die nächsten Jahre mit auf den Weg geben?
Die abl ist seit Jahren auf gutem Weg, sie hat das Auge für das grosse Ganze und den Sinn für das Kleine. Ich denke nicht, dass sie heute meinen Ratschlag braucht. 

Schlüpfen Sie für einen Moment in die Gestalt einer Fee. Sie haben einen Wunsch zugunsten der abl frei. Wie lautet dieser?
Der Wunsch wäre, dass die abl einen Tick politischer würde. Ich denke hier an Abstimmungen über Belange, die die Genossenschaften betreffen, insbesondere natürlich wohnraumpolitische Fragen. 

Wohnen Sie genossenschaftlich?
Zwar bin ich dank der Eltern – wie unsere Kinder auch – praktisch seit Geburt abl-Mitglied. Doch in der entscheidenden Phase, als unsere drei Kinder je ein eigenes Zimmer brauchten, aber das Quartier nicht verlassen wollten, ergab sich in der Genossenschaft einfach nichts Passendes. Dagegen eröffnete sich unerwartet die Möglichkeit, in ein Reihenhaus zu zügeln, das unsere Ansprüche erfüllte. 

Wie würden Sie Ihre Wohnbedürfnisse beschreiben?
Die änderten sich mit anderen Lebensumständen immer wieder: jung und keine Kinder, dann fünf Köpfe, Nationalrat usw. Nach dem Auszug der Jungen haben wir nun neben dem Wohnen auch den Platz, um im Haus arbeiten zu können, meine Frau als Künstlerin und Kosmetikerin, ich im Büro. 

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Zur Person
Der bald 68-jährige Louis Schelbert war bis 2018 während Jahrzehnten Parlamentarier. Er engagierte sich im Grossen Stadtrat von Luzern, im Luzerner Kantonsrat und schliesslich im Nationalrat (Grüne). Beruflich war er unter anderem als freier Journalist und als Geschäftsleiter des Luzerner Gewerkschaftsbunds (LGB) tätig. Mit seiner Frau, der Künstlerin Monika Feucht, hat er drei erwachsene Kinder. Er lebt in Luzern.