Aus dem Vorstand

Ein Vierteljahrhundert für die abl

Danke und auf Wiedersehen, Marlise Egger Andermatt!

Nach zwölf Jahren im Vorstand, davon vier Jahre als Präsidentin, übergibt Marlise Egger Andermatt ihr Amt einem Nachfolger. Sie verlässt eine abl, die gut läuft und für die Zukunft gerüstet ist.

Die gemeinsame Zeit mit der abl begann für Marlise ­Egger Andermatt schon vor rund 25 Jahren. Sie beriet und begleitete die Geschäftsführung als externe Kommunikationsberaterin in einer Zeit des Übergangs der abl in eine moderne Genossenschaft: Der damalige Vorstand wurde von 17 auf neun Mitglieder reduziert. Die Unternehmenskommunikation wurde mit dem ­Fokus auf das Thema Transparenz modernisiert, und es war der Beginn einer Wachstums- und Erneuerungsphase. Stets beharrlich, engagiert im Interesse der abl und mit Gehör für alle ist sie bis heute unterwegs. Bevor sie Präsidentin wurde, hat sie die Amtszeiten von drei Präsidenten und einer Präsidentin miterlebt. Marlise ­Egger Andermatt kennt die unterschiedlichsten Facetten der abl. Die magazin-Redaktion blickt gemeinsam mit Marlise Egger Andermatt auf ihre persönlichen Leuchttürme der abl, auf Wünsche für die Zukunft unserer Genossenschaft und auf ihr Leben nach der abl. Wer sie kennt, weiss: Sie wird auch ohne abl dem Genossenschaftswesen treu bleiben.

Drei Leuchtürme

Marlise Egger Andermatt, welche drei Leuchttürme aus deiner Zeit bei der abl möchtest du besonders hervorheben?

Nun, wo soll ich bloss beginnen? In den letzten 25 Jahren hat sich die abl enorm entwickelt. Der gemeinnützige Wohnungsbau hat einen regelrechten Schub erlebt. Da genügen drei Leuchttürme bei Weitem nicht!

Raumschiff Tribschenstadt
Für mich hat das Projekt Tribschenstadt Leuchtturmcharakter. Es war damals ein Aufbruch der abl ins neue Bauen. Die abl hat im Gesamtkonzept der Tribschen-Entwicklung mit verschiedenen Investoren das Baurecht übernommen und 85 Wohnungen mit Ateliers und einem Restaurant im Erdgeschoss gebaut. Unvergesslich bleibt aus kommunikativer Sicht die Lancierung dieses Neubauprojekts an der Luga zum 80-Jahr-Jubiläum mit dem begehbaren Raumschiff. Der Auftritt war sinnbildlich für das Projekt: mutig, innovativ, sensationell. Es war nebenbei auch der Start des Mitglieder-Booms. Heute ist Tribschenstadt eine der beliebtesten abl-Siedlungen. Die Wohnungen, die damals als teuer galten, sind heute vor allem als zahlbarer Wohnraum für Familien sehr begehrt. 

Ein Flug durch Raum und Zeit

Novum Ersatzneubau Himmelrich 3
Aus der Vorstandszeit ab 2011 nenne ich das Himmelrich 3, anders als die Tribschenstadt ein Ersatzneubau. Auch das war erstmalig für die abl. Einerseits war ein Neubau zwingend aufgrund der Schieflage der Bauten, die sich nach dem Einbau der Einstellhalle abgesenkt hatten, andererseits waren es geschützte Zeilenbauten mit günstigen Wohnungen. Ich erinnere mich an einen Workshop mit abl, Stadt- und Quartiervertretungen, den ich moderiert habe. Es ging um die Frage der Wohnbedürfnisse und um zusätzliche Angebote an diesem zentralen Ort. Heute ist die Siedlung gebaut und die Ideen sind verwirklicht. Es ist ein lebendiger Ort für generationendurchmischtes Wohnen, ergänzt mit Gemeinschaftsräumen, Dienstleistungen und einem bunten Angebotsmix gewerblicher Nutzung, inklusive Gastronomie im Erdgeschoss. Auch diese Form von Gewerbevermietungen war Neuland für die abl. Im Himmelrich 3 befindet sich auch mein Lieblingsort bei der abl: die Dachterrasse – nicht nur wegen der Rundumsicht, sondern auch wegen der Idee, das Dach zum Begegnungsort für alle Mietenden zu machen, und der Sicht auf das kunterbunte Wohnen und das Treiben im Innenhof, wo die Kinder das Sagen haben.

Dachterrasse Himmelrich 3

Hand in Hand mit anderen Genossenschaften
Ein Leuchtturm ist auch das Projekt Kooperation Industriestrasse KIL. Die Kooperation hat eine Innovationskraft – politisch, gesellschaftlich, genossenschaftlich. Die Ära der neuen Wohnraumpolitik der Stadt Luzern mit den Schlüsselarealen für den gemeinnützigen Wohnungsbau wurde aus der Bewegung IG Industriestrasse lanciert. Dann die Projektentwicklung selbst – eine in Luzern noch nie dagewesene Zusammenarbeit von fünf Genossenschaften, die dieses Areal gemeinsam im Baurecht übernahmen und das Programm partizipativ erarbeiteten. Von Beginn weg war es eine neue Form des Projektierens, des Einbezugs der Interessierten und Betroffenen, in vielen Dialogrunden ein neues Wettbewerbsverfahren inklusive wissenschaftlicher Begleitung des Prozesses, der schweizweit ausstrahlt. Noch ist der neue Quartierteil nicht gebaut, aber der Gestaltungsplan bewilligt und die Baubewilligung in Aussicht. Ich werde mit Interesse verfolgen, wie die Idee Wirklichkeit wird. Neben den drei Leuchttürmen, weniger im Rampenlicht, aber für die Entwicklung der abl ebenso wichtig, ist die weitere Kooperation an der oberen Bernstrasse, wo mit dem Neubau auf einem weiteren Schlüssel­areal der Stadt der Auftakt für eine Quartierentwicklung passiert. Oder auch der Obermaihof, beispielhaft für die Erneuerung und Verdichtung mit unterschiedlichen Wohnungsangeboten gemäss unserer Wachstumsstrategie. Dann bin ich auch gespannt, wie sich unsere «strategische Reserve Sagenmatt» dereinst mit dem geplanten hohen Haus mit direktem Zugang zum Gütschwald entwickelt.

Modell KIL

Meilenstein Statuten
Neben dem Bauen von Wohnungen, unserem Kerngeschäft, erwähne ich gerne die Gesamtrevision unserer Statuten. Für die Zeit des Präsidiums ist sie als Meilenstein in der Geschichte der abl zu nennen. Mutig partizipativ mit allen Konsequenzen. Der über zwei Jahre dauernde Prozess bewegte mit den Mitwirkungsverfahren die Mitglieder und erhitzte auch die Gemüter. Die abl erlebte seit Langem wieder einmal Opposition aus den eigenen Reihen, wenn auch politisch orchestriert. Genossenschaftsinterne Themen machten Schlagzeilen. Der Gesamtprozess erforderte viel Ressourcen und auch Durchhaltevermögen. Als Präsidentin und Gesamtprojektleiterin im ungewohnten Gegenwind und in einem rauer gewordenen Klima hinzustehen, war wohl die schwierigste Aufgabe. Die abl hat neue Statuten, verabschiedet mit hoher Zustimmung an der Urabstimmung. Es ist die Basis für die Zukunft der abl.

Drei Wünsche für die abl

Was wünschst du dir für die abl der Zukunft?

Ich wünsche der abl den Mut, zu wachsen und mit mehr zahlbarem Wohnraum der Wohnungsnot entgegenzutreten. Der Unterschied zwischen Mitgliederwachstum und Wohnwachstum ist zu gross: 13 700 Mitglieder und rund 2 100 Wohnungen. Die abl soll weiterbauen in ­Kooperationen oder in eigenen Projekten und Grundstücke erwerben, wo sich sinnvolle Chancen bieten. 

Innovation wünsche ich mir für die abl im Bereich der Wohnungsangebote. Das heisst, Überdenken von Standards, Raumbedarf und Wohnbedürfnissen von Jung und Alt. Offenheit für neue Wohnformen und ­unkonventionelle Projekte. Und da wir gerade beim Wünschen sind: eine Zauberformel für zahlbare Wohnungen in Neubauten finden.

Ich wünsche der abl eine gute Portion Unbeirrbarkeit und Standhaftigkeit auf dem Weg in die Zukunft. Das bedeutet viel Kommunikation und Überzeugungskraft, die Gesamtinteressen und Werte der abl zu vertreten und als wichtige Kraft im gemeinnützigen Wohnungsbau Position zu beziehen.

Das Leben nach der abl

Ihr Atelier in Olten war während ihrer Zeit im abl-Vorstand Rückzugsort fürs Kreative. Foto mign

Wo wird man Marlise Egger Andermatt nach dem Rücktritt als abl-Präsidentin antreffen?

Ich werde mir nach meinem Rücktritt persönlich mehr Zeit gönnen. Ich freue mich darauf, nicht mehr das ganze Büro auf dem Handy zu haben und quasi rund um die Uhr erreichbar zu sein. «Zum Üben» gehe ich Anfang Juli mit meinem Mann in ein Maiensäss auf fast 2 000 Metern oberhalb von Poschiavo – ohne Handy-Empfang und rundum pure Wildnis. Mit dem Abschluss der abl-Zeit kommt das Experiment, einen neuen Lebensrhythmus zu finden. Ich werde wieder mehr Zeit für die Familie haben, für unsere eigene, den Fribourger Familienclan und für Freundschaften. Ich reise gerne, bin gerne unterwegs. Letztes Jahr haben wir Interrail wieder entdeckt, und wir fühlten uns fast wie in Studienzeiten – leider haben wir viel zu wenig Zeit gehabt, das Ganze auszukosten.

Dann möchte ich wieder mehr Zeit in meinem Atelier verbringen, experimentieren mit manuellen Drucktechniken und endlich auch regelmässig meinen Keramikbrennofen einheizen, den ich mir genau für diese freie Zukunft gekauft habe.

Dem gemeinnützigen Wohnungsbau werde ich treu bleiben. Im Rahmen meiner Kommunikationsberatung habe ich die Gründung der ersten Wohnbaugenossenschaft an meinem Wohnort begleitet und – was soll ich machen – es hat mir den Ärmel reingezogen... Ich werde mich weiterhin engagieren.