Gesamtrevision Statuten

Mehr Mitwirkung und mehr Ökologie

Moderatorin Inger Schjold (rechts aussen) sortiert mit den Teilnehmenden die wichtigsten Anliegen der Ergebniskonferenz.

abl-Mieterinnen und -Mieter wollen sich stärker einbringen und fordern eine grünere Genossenschaft. Dies sind zwei der wichtigsten Resultate aus der Ergebniskonferenz. Die Veranstaltung brachte auch eine Überraschung auf den Tisch.

Nach bald 100 Jahren gibt sich die abl neue Leitplanken. Mit der Gesamtrevision der Statuten wird nicht weniger als der grundlegende Kurs – sozusagen die Verfassung – der Genossenschaft kritisch hinterfragt. Zweck, Grundsätze sowie finanzielle und organisatorische Bestimmungen werden darin neu geregelt.
Nun wirds konkret und immer spannender: Am 28. Oktober lud die abl im Pfarreisaal St. Anton zur Ergebniskonferenz, wo erstmals wesentliche Bestandteile der neuen Statuten diskutiert wurden.

Zuerst ein Blick zurück
Der Prozess startete Ende 2020, im Mai 2021 folgte als erster Meilenstein die Online-Hauptkonferenz. Genossenschafterinnen und Genossenschafter konnten Thesen des Vorstands zu grundsätzlichen Genossenschaftsfragen diskutieren und eigene Anregungen einbringen. Daraus wurden schliesslich acht Schwerpunkte herausgeschält. Sie reichen von neuen Wohnformen über Diversität, günstigen Wohnraum bis zur Partizipation (siehe abl-magazin 6/2021).
In den Monaten danach hat die abl die Themen weiterbearbeitet und einen ersten Entwurf der neuen Statuten erarbeitet.

Zweiter Meilenstein: die Ergebniskonferenz
Nun also die Ergebniskonferenz: Rund 60 Genossenschafterinnen und Genossenschafter fanden Ende Oktober den Weg in den Saal (angemeldet waren 90). Da wurde zwar noch kein finaler Statutenentwurf präsentiert, aber der Vorstand hat aufgezeigt, wie die Empfehlungen und Anregungen aus den bisherigen Runden in die Statuten eingeflossen sind – oder eben nicht. abl-Präsidentin Marlise Egger Andermatt sagte: «Wir haben die Themen gebündelt und geschaut: Was gehört auf die Flughöhe Statuten und was in die strategischen und operativen Ebenen.»
Parallel dazu hat die abl in einem separaten Prozess die Kostenmiete diskutiert. Die Ergebniskonferenz führt diese beiden Prozesse zusammen, die Kostenmiete wird als Grundsatz neu in die Statuten aufgenommen.

Diese Schwerpunkte verfolgt die abl
Bevor es zur Diskussion ging, präsentierten die abl-Verantwortlichen, folgende, aus der Hauptkonferenz weiterentwickelte, wichtige Punkte: 

  • Mehr als Wohnen: Die abl begrüsst die Mitwirkung und sucht neue Formen des Austauschs, alternativ zur bisherigen Siedlungsversammlung. Möglich wären etwa themenspezifische Gemeinschaftsforen. Einen Systemwechsel zu einer generellen Selbstverwaltung strebt die abl jedoch nicht an.
  • Ökologische und soziale Nachhaltigkeit: Die abl willdem Klimawandel in den Statuten Rechnung tragen. «Wir setzen auf sparsamen Umgang mit Raum, Boden, Energie und umweltbewusstes Verhalten und fördern umweltbewusstes Verhalten», so Egger Andermatt. Und gab zu bedenken: Investitionen in erneuerbare Energien könnten auch Kostentreiber sein. 
  • Neue Wohn- und Lebensformen: Die abl zeigt sich offen gegenüber neuen Wohnformen. Das können Clusterwohnungen, Co-Working-Formen oder mehr gemeinschaftlich genutzte Räume sein. 
  • Parteipolitische Unabhängigkeit: Die Werte der abl sollen mit den neuen Statuten gestärkt werden und das politische Engagement für wohnpolitische Anliegen bleibt wichtig. 
  • Welche Mitglieder? Die abl hat rund 13 000 Mitglieder, über 8 000 davon sind aber keine Mieterinnen oder Mieter. «Wir wollen eine offene Genossenschaft bleiben», betonte Egger Andermatt. Gleichzeitig soll in einigen Bereichen ein unterschiedliche Formen von Mitwirkung geprüft werden. Die Verzinsung der Einlagen soll auf maximal 4 Prozent limitiert werden. Denn Mitgliedschaften sollen nicht als Geldanlage dienen. 
  • Diversität und Durchmischung: Nicht nur die Siedlungen, auch der Vorstand soll besser durchmischt sein. Darum wird er von 7 auf 8 Personen erweitert, um das Soziale und die Genossenschaftskultur zu stärken. Die neue Person soll abl-Mieterin oder -Mieter sein, denn bisher fehlt diese Vertretung im Vorstand. Die Wahl könnte schon an der GV im Juni 2022 erfolgen. An der Wohnungszuteilung mit dem Rangpunktesystem will die abl festhalten. 
  • Wachstum: Die abl will nicht um jeden Preis wachsen, der Fokus bleibt auf der Stadt Luzern und der Agglomeration. Die Schlüsselareale der abl sind das Neubad-Areal und der Grenzhof. 
  • Günstiges Wohnen und Gemeinnützigkeit: Günstiger Wohnraum soll erhalten bleiben. Ziel ist, verschiedene Preissegmente übers ganze Portfolio mit den vielfältigen Siedlungen anbieten zu können. 
  • Solidarisch vs. günstig: Wie erreicht man ein angemessenes Verhältnis von Wohnraum und Belegung? Strategisches Ziel sind 35 bis 38 Quadratmeter Wohnfläche pro Kopf. Ein Wohnungswechsel aufgrund Unterbelegung soll mittels Dialog erreicht werden.

Eine bewegte Diskussion
Nun waren die Anwesenden gefragt: Unter Anleitung wurde in drei Runden à 20 Minuten an verschiedenen Tischen zu den genannten Themen diskutiert. Auf grossen Papieren wurden Kritik, Lob und fehlende Themen notiert. «Es muss alles auf den Tisch», sagte Moderatorin Inger Schjold vom Beratungsunternehmen für Organisationsent­wicklung «frischer wind». Da wurde an einem Tisch über die Angst diskutiert, als jahrzehntelange Bewohnerin, bei einer Unterbelegung aus der Wohnung gedrängt zu werden. Es dürfe keinen Zwang zum Auszug geben, so die Meinung. Die Furcht vor einer Entwurzelung im Quartier wurde genannt.
An einem zweiten Tisch war der Klimawandel das grosse Thema. Konkrete Ziele, Verpflichtungen und Massnahmen müssen her, so die Meinung. Auch Siedlungsräte oder Vereine, die sich um die Anliegen der Bewohnenden kümmern, kamen aufs Tapet. Und an einem dritten Tisch hat das Thema der Selbstverwaltung die Diskussion angeregt. Wie können mehr Möglichkeiten geschaffen werden, um sich zu engagieren?

Diese drei Themen sind am wichtigsten
Die wichtigsten Anliegen wurden schliesslich auf Zettel geschrieben und an Wände gepinnt. Alle Anwesenden konnten nun vier Punkte verteilen – und es zeigte sich deutlich, welches die drei populärsten Anliegen sind: 

  1. Mitwirkung und Partizipation: Neue Formen der Mitwirkung sind gesucht, sodass Mietende ein besseres Sprachrohr gegenüber der abl haben. 
  2. Kein Zwang zum Auszug bei Unterbelegung: Dieses Thema kam für viele eher überraschend aufs Tapet. Da sind sozialverträgliche Anreize gefragt, wie bei Unterbelegung zu einem Umzug in eine kleinere Wohnung motiviert werden kann – ohne Zwang notabene. Die Idee einer Art Tauschbörse wurde genannt. 
  3. Klimawandel und Biodiversität: Verbindliche Ziele und ein Monitoring des bisher Erreichten sind bei den Mitgliedern populär. Die Wünsche: mehr Grünraum, weniger Versiegelung und mehr Biodiversität in den Siedlungen.

So geht es nun weiter
Die Prioritäten scheinen klar. «Das Resultat fordert uns heraus und zwingt uns, in gewissen Bereichen neu zu denken», fasste die Präsidentin den Abend zusammen. Speziell die Themen Klima, Ökologie und Biodiversität forderten konkrete Taten der abl, so Egger Andermatt. Sie versprach: «Das nehmen wir so entgegen.» Auch der Wunsch nach einer höheren Vertretung der Mietenden im Vorstand sei bei der abl angekommen.
Ende November wird der Vorstand erstmals einen Statutenentwurf behandeln, im nächsten Jahr steht die Schlussfassung auf dem Programm, der vom Verband Wohnbaugenossenschaften Schweiz geprüft werden muss.
Die Genossenschaftsmitglieder werden sich im Rahmen einer ausserordentlichen Generalversammlung vor der Urabstimmung zum neuen Statuten-Vorschlag des Vorstands äussern und Anträge stellen können. Das formelle Vorgehen wird Anfang 2022 kommuniziert. Den finalen Entscheid fällen dann Ende 2022 die abl-Mitglieder an der Urabstimmung. Ziel ist, dass die abl mit neuen Statuten ins Jahr 2023 starten kann.

Ergebnisse sind aufgeschaltet
Die Präsentation der Ergebniskonferenz und die Resultate aus den Diskussionsrunden finden Sie online: abl.ch/statuten